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Minority Report - stylische Hollywood-Seifenoper
Von Christian Gaca | Oktober 2002

Die Präkogs hätten es eigentlich voraussehen müssen, aber Steven Spielberg hat wohl und wohlwissentlich den Minority Report noch schnell tief in irgendeinem sicheren Safe versteckt. Die Verfilmung der Dick'schen Kurzgeschichte gerät an so manchem Punkt zur kantenlosen Hollywood-Seifenoper - immerhin auf hohem Style-Niveau.

Polizist John Anderton (Tom Cruise - leider!) gibt die meiste Zeit leider so gar nicht den üblichen Dick-Helden, den sympathischen Dauer-Loser, der niemandem trauen kann und von seiner Umwelt fröhlich ignoriert wird. Da hilft auch die Drogensucht von Film-Anderton nicht viel, mit der er den Verlust seines Sohnes zu vergessen versucht. Diesen Sohn sucht man übrigens, wie auch einige andere tragende Rollen der Verfilmung, in der originalen Kurzgeschichte vergeblich. Immerhin blieb die grobe Grundstruktur des 1954 verfassten Werkes unangetastet, und die Veränderungen der Drehbuchschreiber fügen sich im Prinzip harmonisch in die Story ein.

Folglich darf den Autoren Scott Frank and Jon Cohen nicht vorgeworfen werden, dass sie einen schlechten Job gemacht und zu wenig Philip K. gelesen hätten. Sehr gut gelungen etwa die Inszenierung des beklemmenden Szenarios der den Menschen ewig verfolgenden und nervenden Werbung. "Sind Sie mit ihrem Tank-Top zufrieden", fragt ein Bildschirm im GAP-Store. Per Retina-Scan erkennen nicht nur dort die Produkte ihren Käufer und preisen ihm ungefragt Neuheiten aus dem Firmen-Portfolio an. Ist übrigens auch für Mr. Spielberg ganz praktisch, so lässt sich das überdurchschnittlich reichhaltige Product-Placement im Film besser in selbigem verstecken. Auch die spinnenartigen Helferlein der Precrime-Cops haben Frank/Cohen charmant und im Sinne von Mr. Dick ins Script geschrieben.

An der Ausstattung des Filmes gibt es auf den ersten Blick auch nichts zu beanstanden, stylisch in Szene gesetzt hat Spielberg das Washington im Jahr 2054 allemal. Schnittige Sportwagen rasen auf von Computern gesteuerten Autobahnen entlang und docken direkt an der Haustür an. Die Wohnung von Anderton ist vollgepackt mit den künftigen Techno-Gadgets, sein Büro erinnert an die vernetzte Welt in Neal Stephensons Roman "Snowcrash" - einem der besseren Sci-Fi-Autoren der Jetztzeit.

Doch trotz des ganzen coolen Zukunfts-Styles, trotz all den schönen Bildern, die Spielberg auf die Leinwand zaubert, trotz all dem unterhaltsamen Action-Gehabe, das den Film auf langen Strecken prägt, fehlt dem PKD-Fan eines die ganze Zeit. Die Seele des Autors. Die von Dick erdachte düstere Zukunftsvision eines totalitären Überwachungsstaates gerät im wahrsten Sinne des Wortes zur geschönten Hochglanz-Variante. Die Präkogs schauen nicht als drei seibernde, brabbelnde Kreaturen mit überdimensionalen Köpfen und nutzlosen Körpern in die Zukunft, sind keine Präkog-Idioten wie bei Dick. Spielberg stellt sie fast als saubere, beschützenswerte schwimmende Engel auf Drogen dar. Und lässt sie einen Willen haben, der ihnen in der Kurzgeschichte gänzlich abgesprochen wird.

Einzig die Szenen in dem heruntergekommenen Apartement, das Anderton als Fluchtort vor den eigenen Precrime-Kollegen nutzt, in dem er sich die Augäpfel herausoperieren und gegen andere austauschen lässt, sind ein echter Treffer. Hier fängt Spielberg jene Bilder ein, die Dick im Kopf seiner Leser erzeugt. Kein Zufall, dass diese Bilder jenen aus Ridley Scotts Meisterwerk "Blade Runner" sehr ähneln, gilt Scotts Film doch als einer, der die Welten des Philip K. Dick am präzisesten in visualisiert hat.

Leider dominieren diese Bilder nicht den Film - und das Happy-End des Films hätte Philip K. Dick - freundlich ausgedrückt - bestimmt kein bisschen gemocht. Spielberg selbst indes womöglich schon, denn immerhin gilt Mr. Dick ja als großer Freund der Gescheiterten.

Links zu Minority Report: Filmkritik bei www.spiegel.de | Offizielle deutsche Film-Website | Offizielle US-Film-Website | Precrime.org | PrecrimeWorld.org

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